Künstlerin der Woche
Interview mit Tanzlicht K
Hallo Keiko. Dein Beruf ist ja schon ziemlich außergewöhnlich – wie genau kamst du zur Artistik, speziell zum Feuer?
Die Feuerartistik war mir früh vertraut, da einige meiner Freunde schon in den 2000ern mit Feuershows unterwegs waren. Ausschlaggebend für meinen Einstieg in die Feuertanzszene war aber mein damaliger Partner, auch ein Feuerartist. Für den Geburtstag meines Vaters planten wir als gemeinsames Geschenk eine Feuershow. So habe ich mit dem Feuertanz begonnen, also eher zufällig. Danach ging alles recht schnell. Es folgten Auftritte mit verschiedenen Feuertänzer*innen und bald war ich mitten drin in der Szene - ich hatte sozusagen Feuer gefangen. Dieses archaische Element hat eine derart starke Kraft... Das Bändigen des Feuers in dieser kunstvollen Manier hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.
Heute bist du ein absoluter Profi in deiner Kunst - was macht deine Shows aus?
Meine Stärke ist die besondere Kombination aus zeitgenössischem Tanz und objektbasierter Flow-Arts-Artistik, die nur wenige in dieser Form beherrschen. Ich tanze seit meinem 5. Lebensjahr - klassisches Ballet und zeitgenössischer Tanz - und unterrichte heutzutage auch, wodurch ich viel Erfahrung in diesem Bereich habe. Meine Liebe zum Detail und für visuelle und ästhetische Perfektion kommt da noch hinzu. Die Shows stellen für mich immer kleine Gesamtkunstwerke aus Bewegung, Musik, Bildern, Dramaturgie und Gefühlen dar.
Und wie lange brauchst du dann für das Entwickeln einer Show?
Das ist ganz unterschiedlich. Manche Shows habe ich über Jahre hinweg immer weiter entwickelt und verfeinert, neue Ideen und Requisiten oder noch bessere artistische und tänzerische Elemente hinzugefügt. Andere entstehen innerhalb weniger Wochen. Manchmal improvisiere ich aber auch und tanze einfach drauf los. Das hat auch etwas für sich, so spontan, befreiend und aus dem Augenblick heraus vors Publikum zu treten.
Kannst du uns etwas von Hors d’ici erzählen?
Diese Solo-Tanzperformance von mir entstand in Zusammenarbeit mit einer befreundeten Künstlerin aus Frankfurt, malatsion. Sie ist in der bildenden Kunst angesiedelt, gesellschaftskritisch in ihrer Themenauswahl und macht wunderbare Installationen und Ausstellungen. Für eine Ausstellung und ein Happening in Gießen lud sie mich ein. Grundlage war ein mit weißem Klebeband auf den Boden geklebtes Labyrinth. Damals war ich emotional sehr mit der Flüchtlingskrise und den vielen dramatischen Schicksalen der aus ihrer Heimat geflohenen und vertriebenen Menschen beschäftigt. Ich wollte mit meinem Tanz deren Geschichten und Gefühle darstellen, zumindest so, wie ich mir das vorstellte und mitbekommen habe: Auswegslosigkeit, Verzweiflung, Angst, Trauma, Suche, Irren und am Ende Ankommen, Hoffnung, Linderung, einen Ausweg finden. So tanzte ich auf den Wegen durch das Labyrinth, stellte all diese Emotionen dar, um zum Schluss der Performance vor dem Publikum den Ausgang zu finden. Das fand in einem alten Eiskeller eines Kulturgeländes statt und hatte dadurch noch eine viel stärkere Wirkung: die Kälte, die Enge des steinernen Gewölbekellers, der Hall. "Hors d'ici" - der Titel der Kollaboration ist französisch für "an einem anderen Ort als hier; über das Hier hinaus" - war eine starke Arbeit und eine großartige Erfahrung, für die ich Bérengère Malatsion bis heute dankbar bin.
Spielt eine Geschichte, eine Entwicklung bei deinen anderen Auftritten auch eine Rolle. Ist Tanz immer Ausdruck?
In der Regel sind meine Shows eher ästhetische Unterhaltung als Geschichte. Die Zuschauer*innen sollen für einen Moment dem Alltag entfliehen, hinein in eine Fantasiewelt aus bewegtem Licht, leuchtenden Farben und tanzenden Körpern. Mein Ziel ist es für sie Augenblicke des Zaubers, der Faszination, der Berührung, der Sinne und der Gefühle zu erzeugen. Da geht es mehr um visuelle Effekte und eindrucksvolle, schöne Bilder. In der Hochzeitsduoshow Le Grand Flamour mit gé gab es aber schon eine romantische Love-Story, um die Feuertanzchoreografien lebendiger und dem Setting entsprechend spannender zu gestalten.
Eine Frage, die niemand gerne beantwortet, aber ist bei einem Auftritt auch mal etwas schiefgelaufen?
Ja, das passiert hin und wieder. Zum Glück aber nur selten. Da denkt man, man hat alles bedacht und ist bestens vorbereitet, aber manche Situationen sind einfach unvorhersehbar.
Was hast du in Zukunft noch alles geplant?
Die Pandemie hat viel kaputt gemacht, der Großteil der Auftritte seit März 2020 ist geplatzt. Natürlich hoffe ich, dass wieder mehr Auftritte für Veranstaltungen gebucht werden. Für die nähere Zukunft habe ich aber einige Alternativpläne im Gepäck. Gerade habe ich die Videos einer Fächertanz- und Musikperformance, die ich im Rahmen eines Brückenstipendiums der Hessischen Kulturstiftung mit einer Artistikkollegin und zwei Musiker:innen erarbeitet habe, fertig geschnitten und veröffentlicht. Ansonsten will ich mit meiner Projektpartnerin Anna Bolender unser inklusives, diverses Tanz-Projekt, das wir in diesem Jahr erstmalig gemeinsam mit Laientänzer:innen erarbeitet und aufgeführt haben, weiterführen. Die letzten eineinhalb Jahre haben mir gezeigt, dass in diesem Bereich, also in der Tanz- und Artistikvermittlung, trotz aller Einschränkungen durchaus noch genügend Möglichkeiten des künstlerischen (und pädagogischen) Schaffens existieren. Reclaiming Dance • jede*rmensch tanzt - so heißt das Projekt, stieß auf gute Resonanz und soll deshalb 2022 in die zweite Runde gehen. Unser Anspruch bei Reclaiming Dance ist kulturelle - und hier insbesondere tänzerische und performative - Partizipation möglichst barriere- und diskriminierungsfrei für alle Interessierten möglich zu machen. Unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht und sonstiger Orientierung. Derzeit sind wir auf der Suche nach Förderungen und werden Zuschüsse beantragen, um dies realisieren zu können.
Kannst du uns zum Schluss noch eine kleine Kostprobe deiner Kunst geben?