Künstler der Woche
Interview mit Silke Kirchhoff
Hallo Frau Kirchhoff. Ihre Arbeit ist ja eher ungewöhnlich. Wie kamen Sie zum Bodypainting?
Ja, für andere scheint meine Arbeit ungewöhnlich, für mich ist sie inzwischen sehr normal geworden. Zum Bodypainting bin ich recht klassisch vom Kinderschminken gekommen. Damit habe ich angefangen und durfte 2011 bei dem Buch „Funky Faces meets friends“ mitmachen. Dort gibt es die Step-by-Step Designs und „Masterpieces“, also außergewöhnliche Facepaintings. Das Witzige ist, das diese Bücher meine ersten Bücher über das Schminken von Kindern waren und ich immer so begeistert war von den Kunstwerken. Nie hätte ich gedacht, dass auch ich mal in so einem Buch vertreten sein werde. Und jetzt steht das Buch sogar mit meinem Painting als Cover in den Buchläden - verrückt! Und vom Facepainting ist es dann nicht mehr weit zum Bodypainting, da ist einfach noch mehr Fläche zum Malen und man hat eine lebendige Leinwand, die Motive zum Leben erweckt. Das ist das Besondere und das Herausfordernde gleichzeitig. Auf der einen Seite leben meine Motive, auf der anderen Seite muss ich immer die 3D-Form meiner „Leinwand“ beachten. Hinreißend ist für mich auch zu sehen, wie man Modellen helfen kann, in unterschiedlichste Rollen zu schlüpfen. Das erste Bodypainting habe ich 2011 gleich bei den Weltmeisterschaften, noch im Bereich Amateur, gemacht.
Wenn man sich Ihre Werke so anschaut, kommt schnell die Frage auf - wie lange brauchen Sie für so ein Ganzkörperpainting?
Das ist sehr unterschiedlich. Wie man sich vorstellen kann, gibt es schnelle und aufwendige Designs. Im Allgemeinen brauche ich für ein Commercial Bodypainting - also ein Painting für einen Kunden, bei dem das Logo im Vordergrund steht - meist 4 - 5 Stunden, aber es kann auch schneller gehen. Bei Wettbewerben oder auch Fotoshootings werden es schon gerne mal 6 - 7 Stunden. Und fertig ist man nie. Man könnte immer noch mindestens 3 Stunden weitermalen. Gut, dass sich dann die Modelle wehren.
"Beim Bodypainting hat man eine lebendige Leinwand, die Motive zum Leben erweckt - das ist das Besondere und das Herausfordernde gleichzeitig."
Sie arbeiten auch mit Kindern. Gibt es hier ein Ereignis, das Sie nicht mehr so schnell vergessen werden?
Oh ja, Kinderschminken mache ich bis heute so gerne und es macht auch einen großen Teil meiner Arbeit aus. Ich liebe es, wenn die Kinder begeistert in den Spiegel schauen und sich über ihre Verwandlung freuen. Es ist natürlich auch schön, wenn die Eltern begeistert sind und in den Fotomodus verfallen, um ja alles festhalten zu können. Man erlebt da immer sehr viel. Jedes Kind ist anders und manche haben auch echt ausgefallene Ideen. Aber eines der Dinge, die mir sehr in Erinnerung geblieben ist, war ein kleiner Junge, der sich als Monster hat schminken lassen. Er war so begeistert, dass er mir noch zugeschaut hat, obwohl er längst fertig war. Unbemerkt von ihm kam dann von hinten sein Kindergartenfreund, der ihn namentlich freudestrahlend rief. Als sich nun „das kleine Monster“ umdrehte, werde ich nie vergessen, wie das Gesicht des Freundes kurz einfror und er dann laut schreiend wegrannte. Offensichtlich hatte er sich so erschreckt, dass er seinen Freund nicht erkannte. Das Ganze ging schon noch gut aus - der Freund hat sich einfach auch als Monster schminken lassen und dann haben die beiden Andere erschreckt.
Sie bieten auch sogenanntes UV-Painting an. Zu welchen Anlässen wird es denn hauptsächlich angefragt und was ist es genau?
UV-Paintings werden mit UV-Farben - also Farben, die unter Schwarzlicht leuchten - gemalt. Dazu benötigt man Schwarzlicht schon zum malen, weil man bei normalem Licht die Farben gar nicht richtig sieht. Unter diesem Licht leuchten die Farben und die normale Haut erscheint schwarz. Man kann so Körperformen völlig auslöschen und tolle Dinge kreieren. Gebucht wird das meist von Discotheken. Einmal im Jahr bin ich auch für ein Schallplattenlabel bei einem sehr großen Jugendfestival dabei und hier finden es die Jugendlichen supercool, wenn ich diese Farben nutze. Da habe ich inzwischen richtige Stammkunden, die mich aufsuchen und sich das ganze Jahr überlegen, was sie denn dieses Mal haben wollen.
Sie durften am Netflixfilm "Mute" mitwirken. Wie war das und was mussten Sie hier genau machen?
Das war schon sehr, sehr spannend. Ich durfte da mit einer lieben Kollegin zusammen in Babelsberg einen Charakter für eine Barszene schminken. Dieses Pixelpainting war der ausdrückliche Wunsch von Duncan Jones, dem Regisseur, der auch vorbei kam, um es sich anzuschauen. Es wurde einem hübschen Model Gesicht, Dekolleté und Arme mit kleinen unterschiedlich braunen Kästchen geschminkt. Das war unglaublich zeitaufwendig und musste so exakt geschminkt werden, weil es auch ein Close-up der Kamera geben sollte. Eine echte Herausforderung. Und schon auch sehr interessant, bei so einer großen Produktion dabei sein zu können und an Hollywoodgrößen wie Paul Rudd, Justin Theroux und Alexander Skasgaard vorbeizuschlendern.
Sie haben unter anderem den 3. Platz bei der SFX Bodypainting European Championship gewonnen. Wie muss man sich so einen Wettbewerb vorstellen?
Da haben Sie sich wirklich den für mich absolut unerwartetsten Gewinn rausgepickt! Special Effects ist eigentlich gar nicht so mein Metier. Da wird so viel geklebt - da hatte ich bis dahin immer eine gewisse Scheu. Das hat sich allerdings mit diesem Ergebnis geändert und ich verwende heute selbst bei Kundenpaintings manchmal Teile, die nicht dem klassischen Bodypainting entsprechen. So ein Wettbewerb fordert teilweise schon viel von Einem. Man hat eine bestimmte Zeitvorgabe, Regeln, auf die peinlich genau geachtet werden soll, und ein Thema, welches man im Anschluss einer Jury erklären muss. Da die Qualität in den letzten Jahren stetig steil nach oben steigt, muss man sich wirklich sehr gut vorbereiten. Als Erstes kreiert man ein Painting, das zum Thema passt, aber auch doch speziell ist und möglichst nicht noch einmal im Wettbewerb verwendet wird. Hat man Zeit und Möglichkeit, macht man ein Probepainting. Innerhalb des Wettbewerbes wird dann alles möglichst gut umgesetzt. Ich versuche immer, nicht so viel zu schauen, was die anderen machen. Das verunsichert mich nur, weil man sein „Baby“ doch sehr kritisch anschaut und weiß, was noch besser geht. Da ich inzwischen aber schon einige Pokale zuhause stehen habe, weiß ich inzwischen recht gut was ich kann und gehe auch selbstbewusst in solche Challenges. Für mich sind das immer wieder Herausforderungen, denen ich mich ganz bewusst stelle, um besser zu werden und mich auch mal mit Themen auseinanderzusetzten, die man vielleicht sonst gerne verdrängen würde. Gerade bei den Weltmeisterschaften in Klagenfurt versuche ich doch auch politisch zu hinterfragen und meine Kunst zu nutzen, um klare Statements abzugeben.
"Das Bellypainting empfinden die Frauen als sehr wohltuend und entspannend."
Was ist denn Ihr Go-to-Motiv, das am Häufigsten angefragt wird?
Die beliebtesten Motive sind im Moment bei den Mädels Einhörner und Elsa von „Frozen“. Was auch immer geht, sind Schmetterlinge und Blumenmotive. Jungs lassen sich leider seltener schminken und da gehört meist ein Vorreiter dazu, der sich als erstes traut. Hier sind es eher Spiderman, Monster oder auch der Adler als ein beliebtes Motiv. Interessanterweise wünschen sich viele Kinder immer das, was der Vorgänger auf meinem Schminkstuhl hatte. So rutschen dann oft zehn Einhörner nacheinander vom Stuhl, ehe sich mal jemand den Schmetterling wünscht, der dann von den nächsten zehn Kindern gewünscht wird. Nur der Glitzer zum Schluss - der darf dann unterschiedlich sein.
Welche anderen Möglichkeiten gibt es denn noch für ein Bodypainting?
Was ich auch sehr gerne mache, sind die Schwangerenbauchbemalungen-sogenanntes Bellypainting. Bekannter sind die Gipsabdrücke vom Schwangerenbauch-aber es ist auch eine ganz wundervolle Sache, so einen Bauch anzumalen mit einem Herzensmotiv der werdenden Eltern, und das dann in einem Fotoshooting festzuhalten. Eine sehr spezielle Erfahrung. Sehr nah an der werdenden Mama und auch dem noch Ungeborenen. Die wachen eigentlich immer im Bauch auf und fahren von innen den Pinselstrichen nach. Dieses Einlassen auf eine Zeit der Ruhe und Innehalten für das Baby empfinden die Frauen als sehr wohltuend und entspannend. Die Fotos sind auch eine wunderbare Erinnerung an eine außergewöhnliche Zeit. Auch im therapeutischen Bereich wird man sich der Bedeutung der Körperbemalung immer mehr bewusst. Für Frauen, die zum Bespiel an Krebs erkrankt waren oder sind, kann ein Painting helfen, den eigenen Körper wieder ein Stück mehr anzunehmen. Auch bei Narben durch Operationen kann es heilend wirken, wenn man mit einem schönen Motiv diese schmerzvolle Erfahrung überlagert. Ich hatte auch schon einen jungen Mann, der sich probeweise ein Tattoomotiv hat malen lassen, um zu schauen, ob das eine Option für ihn ist und er sich damit wohl fühlt. Sehr clever, ehe man viel Geld ausgibt und dann vielleicht doch unglücklich damit ist. Das ist ein Bereich, den ich gerne noch weiter ausbauen möchte. Wenn ich mit meiner Kunst Menschen helfen kann, dann ist das sehr viel wert.