Künstler der Woche
Interview mit Marcel Galos
Hallo Marcel. Du hast eigentlich mit sechs begonnen Geige zu spielen - heute bist du Rockmusiker. Wie kam es zum Wechsel?
Daran ist hauptsächlich die Band Green Day schuld. 2004 - damals war ich elf - haben die Jungs ihr Album „American Idiot“ veröffentlicht. Das hat mich so umgehauen, dass ich unbedingt Gitarre spielen wollte. Mein Vater hatte damals eine alte akustische Gitarre in irgendeiner Ecke auf dem Dachboden stehen. Die habe ich mir geschnappt und einfach mal angefangen „rum zu zupfen“. Allerdings wollte ich unbedingt mit einem Plektrum spielen, da ich im Musikvideo von Green Day auf MTV gesehen hatte, dass die das ja auch benutzen. Also habe ich die Gitarrentasche komplett durchsucht und dabei nicht nur ein Plektrum, sondern auch noch ein Gitarrenbuch mit Akkordbeschreibungen gefunden. Das war mein Jackpot. Ich habe dann über die nächsten Wochen und Monate angefangen mir das Gitarrenspielen beizubringen, heimlich, da ich ja noch zum Geigenunterricht angemeldet war. Als Weihnachten um die Ecke kam und meine Eltern mich fragten, was ich mir wünsche, habe ich meine Chance gesehen: eine E-Gitarre mit Verstärker. Aber ich könne doch gar nicht Gitarre spielen, meinten meine Eltern. Ich sagte: "Einen Moment", rannte auf den Dachboden, schnappte mir die Gitarre und spielte ihnen vor, was ich heimlich geübt hatte. Es war ein Erfolg! Ich bekam die E-Gitarre und meinen Verstärker geschenkt. Damit nahm alles seinen Lauf.
Du trittst nicht nur alleine auf, sondern warst und bist in mehreren Bandformationen – was gefällt dir besser?
Das kann man eigentlich nicht wirklich direkt vergleichen. Wenn man auf der Bühne mit Mitmusikern steht, kann man eine unglaubliche Gruppendynamik erzeugen, die man als Solokünstler gar nicht rekonstruieren kann. Auf der anderen Seite bin ich als Solokünstler komplett unabhängig und kann viel mehr individuell auf das Publikum eingehen und mit ihm spielen und Spaß haben. Ich mache beides sehr gerne, den „Teamplayer“ in einer Bandformation, aber auch den „einsamen Wolf“ als Solokünstler. Ich möchte keine der beiden Seiten missen, denn gerade die Abwechslung, die ich durch die Formationswechsel habe, machen jedes Konzert zu einem komplett neuen Erlebnis.
Du machst sogenannte Full Production Cover – was ist das?
Bei meinen Full Production Covern nehme ich Songs komplett auseinander und baue instrumental ein neues Arrangement für die Songs auf, wobei ich versuche den Coversongs meinen eigenen Stempel aufzudrücken. Heißt, ich bin in meinem Tonstudio und schreibe für alle Instrumente, die ich für den Song verwenden möchte, komplett neue Parts, sei es eine andere Rhythmik oder auch neue Melodien, die den Song in die Richtung bewegen, die mir am besten gefällt. Dabei versuche ich die Gesangsmelodie nicht zu verändern, sodass der Song an sich noch hundertprozentig wiederzuerkennen ist, jedoch mit einem neuen Face-Lift. Als Beispiel mein „Before You Go“-Cover. Hier habe ich für Schlagzeug, Bass, Gitarre und Synthesizer neue Parts geschrieben, anschließend alles aufgenommen, abgemischt und gemastert. Wenn es gut läuft, kann so ein Cover innerhalb von 2-3 Tagen komplett fertig sein. Es gab aber auch schon Fälle, bei denen es länger gedauert hat. Es ist auch alles immer ein bisschen von der Tagesform abhängig.
Wie hast du die auftrittsarme Coronazeit gemacht?
Dadurch dass ich hauptberuflich Musiker bin, musste ich natürlich zuerst einmal gucken wie ich jetzt Geld verdienen kann ohne die Musik aufzugeben. Dementsprechend gab es für mich mehrere Dinge, die ich angegangen bin. Ich habe online Gitarren- und Gesangsunterricht gegeben, hatte Auftragsarbeit in meinem Tonstudio, habe Livestream-Konzerte gespielt, für DJs Songs eingesungen und ein eigenes Album geschrieben. Die erste Single des Albums heißt „Something Magical“ und kam am 27. August raus.
Du hast dir das Gitarrespielen selbst beigebracht - wie konntest du deine Motivation halten?
Die Motivation konnte ich durch Bandprojekte nach oben treiben und immer aufrecht erhalten. Ich wollte immer anspruchsvollere Songs spielen und in den jeweiligen Bandprojekten mit all den Mitmusikern wachsen. So war es für mich selbstverständlich, mich in den Ferien mindestens 6 Stunden am Tag an die Gitarre zu setzen und neue Techniken und Lieder zu lernen. Nicht weil ich es musste, einfach nur weil ich es wollte. Für mich ist das Musikmachen Leidenschaft, Emotion, Verarbeitung von erlebten Dingen, positive wie negative. Teilweise hat alleine das Üben eine meditative Wirkung auf mich, denn wenn ich Musik machen darf, bin ich wie in einer anderen Welt. Da verfliegen die Stunden wie im Flug und man fragt sich wo die Zeit geblieben ist.
Wer ist für dich der größte Rockmusiker aller Zeiten?
Oh, ich glaube der Frage muss ich ein bisschen ausweichen, da es für mich nie den einen Musiker gegeben hat, der über allen anderen steht. Ich habe immer wieder neue Einflüsse sammeln können von unterschiedlichsten Musikern, die mich alle für mehrere Jahre beschäftigt und schwärmen lassen haben, sodass ich nicht anderes konnte, als ihre Songs zu lernen und somit etwas von ihrem Können selbst in mein Repertoire aufzunehmen. Wenn ich da chronologisch anfange, beginne ich ganz klar bei Green Day. Danach bin ich immer mehr in Richtung Metal gerutscht, Bullet For My Valentine, Slipknot. Später haben mich auch "traditionellere Rockmusiker" wie Eric Clapton und Jimi Hendrix begeistert, aber auch Country und Johnny Cash, der auf sehr viele Rockmusiker einen gewaltigen Einfluss hatte, finde ich toll. Ihr merkt schon - so leid es mir tut - ich kann mich zwischen all diesen einzigartigen Musikern leider nicht entscheiden.
Gibt es einen Auftritt, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Da sind bereits so viele tolle Erinnerungen, die ich niemals vergessen werde. Jedoch war das für mich persönlich außergewöhnlichste Konzert das erste, das ich im LKA Longhorn in Stuttgart-Wangen spiele durfte. Nicht speziell wegen des Publikums oder wegen der Musik, die ich zu dem Zeitpunkt gespielt habe, sondern weil ich auf so einer prestigeträchtigen Bühne spielen durfte. Das LKA fasst, meine ich, über 1000 Menschen. Hier haben bereits die größten Musiker unserer Zeit gespielt und tun es immer noch. So kann ich stolz sagen, dass ich schon im selben Backstage-Raum saß wie Rammstein und auf derselben Bühne gespielt habe wie Nirvana, Bruno Mars, Heino, die Ärzte oder Bushido.