Interview mit FLÜSTERGESANG by THE FABULOUS STEREO-SISTERS

Anouschka: Wir kommen beide aus der Musicalecke. Ich bin als große Schwester voran gegangen und habe schon sehr früh in eigenen oder kleineren Musicalproduktionen gespielt, bis ich dann Engagements an verschiedenen Stadt- und Staatstheatern hatte. Anina hat da auch schon früh mitgemacht, hat dann ihr Musicaldiplom an der bayerischen Theaterakademie gemacht und witzigerweise fast die gleichen Musicals wie ich gespielt, nur an anderen Theatern.

Anina: Zusammen oder völlig unabhängig voneinander spielten wir in Stücken wie zum Beispiel Rocky Horror, der kleine Horrorladen, Hair, Falsettos und Godspell. Außerdem organisierten wir unsere eigene Musicaltruppe und merkten durch eigene Produktionen und Performances, dass wir beide großen Spaß daran haben, auch außerhalb des Theaters theatrale Orte und Stimmungen zu schaffen und mit unserer Kreativität zu experimentieren. So gaben wir beispielsweise Konzerte in der Kanalisation und schaukelten singend über den Köpfen der Gäste im Nektar in München.

Anina: Im Grunde gründeten sich die "Fabulous Stereo-Sisters" ganz von selbst während wir aufwuchsen. Wir haben schon als Kinder viel zusammen gesungen und gespielt, entdeckten Lieder, Filme und Theaterstücke miteinander und inspirierten uns gegenseitig. Das Singen aus einem Guss entstand dabei ganz automatisch, da wir künstlerisch sehr ähnlich empfinden und da unsere eigene Sprache entwickelt haben.

Anouschka: Ich kann zu Anina sagen "Das Lied soll irgendwie 'Weiß' klingen" und sie weiß genau was ich meine. Irgendwann haben wir neben unseren Engagements an Theatern gemerkt, welcher Schatz da ganz von alleine zwischen uns gewachsen ist und diesem Schatz gaben wir vor ein paar Jahren den Namen "Fabulous Stereo-Sisters". Das Fabulous klingt so schön altmodisch und fröhlich, ein bisschen jahrmarktmäßig. Das hat uns gefallen. Und Stereo Sisters weil wir ja Sisters sind und zu zweit singen, auch flüsternd in Ohren. Naturstereo eben. Familienprojekte entstehen bei uns also andauernd und zwischenzeitlich verhängen wir deshalb manchmal ein richtiges Ideenverbot.

Anina: Weil ja dauernd Ideen aus uns heraussprudeln!

Anouschka: Ja, und da muss man sich eben manchmal entscheiden und sich fokussieren. Wir möchten uns im Moment auf unsere zwei momentanen Lieblingsprojekte "Flüstergesang" und das Musikkabarett "Schwesternterz" konzentrieren, das wir in verschiedenen Theatern spielen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht sofort Feuer und Flamme sind, wenn einer von uns wieder einen verrückten kreativen Einfall hat.

Anouschka: Wir waren auf einer Geburtstagsparty von einer Freundin unserer Eltern eingeladen. Da wir ja in diesem Fall die "Kinder" waren, wurden wir an den Kindertisch gesetzt. Da saßen wir nun, vor etwa drei Jahren doch schon ziemlich erwachsen, zwischen lauter Zwölfjährigen und waren etwas verwirrt, was wir da so machen sollten.

Anina: Wir fingen an Quatsch zu machen, zum Beispiel den Kindern zu zeigen, dass Helium aus Ballons lustige Stimmen macht. Die KInder hatten Spaß und alberten mit herum und da dachten wir: "Jetzt haben wir Lust zu singen!" - aber nicht so laut, mitten im Restaurant, sondern ganz heimlich, nur für unseren Tisch mit den Kindern. Wir schauten uns nur an und hatten gleichzeitig die Idee, die Lieder zweistimmig in die Ohren zu flüstersingen. Auf einmal schauten alle zu dem Tisch, die Kinder waren fasziniert, die Erwachsenen platzten vor Neugierde.

Anouschka: Und prompt wurden wir dann auch zu dem Erwachsenentisch eingeladen, alle wollten den Flüstergesang erleben, selbst die fremden Restaurantgäste. Da war uns klar: Das ist ein tolles einzigartiges Erlebnis, sowohl für die Besungenen wie auch für die Beobachter und auch für uns. Wir haben dann recherchiert und festgestellt, dass es außer uns anscheinend wirklich niemanden gibt, der zu zweit zweistimmig in die Ohren flüstersingt.

Anina: Ist ja auch nicht so einfach, da wir uns manchmal gar nicht hören und unsere Schwingungen nur spüren. Wir denken die Zweisstimmigkeit funktioniert vor allem weil wir musikalisch einfach extrem zusammengewachsen sind. Der Flüstergesang entstand also nicht geplant, sondern wie vieles bei uns aus dem spontanen künstlerischen Umgang mit den Gegebenheiten.

Anouschka: Wir gehen bei den Veranstaltungen und Festen inmitten der Gäste von Mensch zu Mensch und flüstersingen jedem einzelnen - wann immer der eine oder andere Gast gerade offen für diesen besonderen Genuss ist - zweistimmige Melodien in Mezza Voce und reinstem Stereoklang von rechts und links in die Ohren. Die Genießer dieses exklusiven kleinen Privatkonzerts erleben da einen völlig neuen Sinneseindruck, ein kleines Konzert in Stereo, das nur in seinem eigenen Kopf existiert und schwingt.

Anina: Und nicht nur die gerade Besungenen sind von unserer musikalischen "Flüsterpost" verzaubert- auch die anderen beobachten was passiert, sehen zwei flüsternde Frauen und fröhliche Reaktionen und werden immer gespannter, bis sie schließlich selbst an der Reihe sind und in das Geheimnis eingeweiht werden.

Anouschka: Im Grunde kann unser Flüstergesang überall stattfinden. Ob für ein romatisches Dinner zu zweit oder ein Event mit 200 Gästen. Nebengeräusche oder Musik sind gar nicht störend sondern sogar gewünscht, da dadurch das Erlebnis noch schöner wird. Der Besungene blendet im Moment des Beflüstertwerdens ja die anderen Gräusche aus, ähnlich wie zum Beispiel im Kino, wenn einem jemand ins Ohr flüstert. So entsteht für einen Moment eine ganz eigene Klangoase, die den Trubel der Veranstaltung für diesen besonderen Moment ablöst.

Anina: Schön ist es, wenn die Besungenen auch gerade die Muße haben sich auf den Gesang einzulassen. Das heißt sie sollten schon im gewissen Sinne angekommen sein. Wenn sie direkt aus dem Reisebus aussteigen und nur zum Buffett wollen, warten wir zum Beispiel lieber ab bis sie entspannter sind und fangen dann erst das Flüstern an.

Anina: Besonders gut eignen sich kurze schöne Melodien, die musikalisch aufblühen und in ein klares Ende übergehen. Das gibt es öfter bei altmodischen Liedern, aber im Grunde können wir fast jedes gewünschte Lied in ein Flüsterlied verwandeln. Wir brauchen dann natürlich nur etwas Vorbereitungszeit um eine schöne Zweistimmigkeit und eigene Flüsterinterpretation des Liedes zu entwickeln.

Anouschka: Es ist aber noch nicht passiert, dass die Auftraggeber sich bei uns ein bestimmtes Lied gewünscht haben. Wenn wir gebucht werden möchten die Leute ja etwas Geheimnisvolles erleben, das auch sie als Autraggeber erstaunt. Und dafür sind Künstler ja da, etwas ganz Eigenes und Schönes zu schaffen und zu überraschen.

Anouschka: Wir dichten sehr gerne extra für den Anlass, auch auf verschiedenen Sprachen. Uns reizt es dabei nicht zu konkret zu sein, das könnte entzaubern, sondern den Anlass poetisch zu umschreiben und die Gäste kurz in eine andere Welt zu entführen.

Anina: Beispiele flüstern wir gerne auf Anfrage in die Ohren. Etwas Geheimnis muss - wie beim Zauberer - ja bleiben.

Anina: Im Grunde ist jede Reaktion bewegend. Das Schöne ist ja, dass wir uns inmitten unseres Publikums bewegen und mit jedem Einzelnen einen besonderen kleinen Moment haben. Es ist wirklich beglückend zu erleben, wie die Menschen etwas ganz neues erleben, sich in den Genuss fallen lassen, plötzlich entspannen und danach strahlen. Manche lachen oder weinen vor Freude, manche umarmen uns ganz fest, andere sind einfach fasziniert und erstaunt.

Anouschka: Besonders freut es mich, wenn ich merke wie die anderen immer neugieriger werden und fast platzen, bis sie an die Reihe kommen.

Anouschka: Ganz unmittelbar zu erleben, wie man die Menschen glücklich macht und einfach Freude verbreitet, ist ein Erlebnis, das ich beim Flüstersingen extrem genieße. Manchmal beflüstern wir 200 Leute und da denkt man schon, heute werden es aber viele. Während des Flüsterns ist es aber einfach nur schön - erst danach merkt man, dass es schon auch anstrengend war. Auf der Bühne hat man einfach immer eine gewisse Distanz zu den Leuten, was auch total seinen Reiz hat - aber beim Flüstersingen freut man sich richtig gemeinsam mit ihnen.

Anina: Wir rücken den Menschen ja nicht auf die Pelle, sehen sie ja auch beim Flüstern nicht an, berühren sie nicht und haben nur durch die Ohren Verbindung mit ihnen. Aber wie eine Besungene sagte: "Es ist ein Geheimgang zur Seele". Und so eine fröhliche Verbindung zu erleben und zu feiern und zum Beruf zu haben, macht auch uns richtig glücklich.