Eine Mischung aus Coversongs und Eigenkompositionen sorgen bei Auftritten von Singer-Songwriter Ben Reichert für ein akustisches Highlight. Wie er sich unter anderem selbst das Mundharmonika-Spielen beigebracht hat, verrät unser Künstler der Woche im Interview.
Hallo Ben! Du spielst klassische Gitarre, Western- und E-Gitarre. Was ist am Schwierigsten?
Ich finde, man kann nicht sagen, dass das eine oder andere schwieriger ist. Alle drei Arten bauen auf dieselbe Grundausbildung auf und vieles überschneidet sich. Wenn man im Kindesalter Gitarre lernen möchte, startet man üblicherweise mit einer klassischen Ausbildung. Genauso war das auch bei mir. Mit 9 Jahren habe ich eine klassische Gitarrenausbildung angefangen und hatte 13 Jahre lang Privatunterricht. Das war mein Fundament, ähnlich wie bei einem Grundstudium. Western- und E-Gitarre waren dann wie meine Vertiefungs- und Zusatzfächer. Alles was ich in den 13 Jahren Klassikunterricht gelernt habe, kam mir anschließend zu Gute und ich konnte mich relativ schnell mit Western- und E-Gitarre vertraut machen. Letztendlich habe ich mich dann auf die Westerngitarre spezialisiert und meine „Unplugged-Spielweise“, die Melodie- und Begleitungsspiel kombiniert, entwickelt. Echte handgemachte Musik, mit einer akustischen Gitarre, ohne großartige Effekte – für mich die schönste Art Musik zu machen!
Mundharmonikaspielen hast du dir selbst beigebracht - wie funktioniert das?
Da muss ich etwas weiter ausholen. Alles hat mit dem Song „Heart Of Gold“ von Neil Young angefangen. Den Song habe ich zufällig online irgendwo gehört und mich sofort in das Intro auf der Mundharmonika verliebt. Ab dem Zeitpunkt war klar, ich brauche eine Mundharmonika und möchte das auch spielen können. Also hab ich mir direkt eine bestellt und konnte es kaum erwarten, bis sie endlich da war und ich meine ersten Versuche wagen konnte. Dann ging’s ans Üben und da ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Ahnung vom Mundharmonika spielen hatte, habe ich einfach ausprobiert und getestet. Und so saß ich dann Tag für Tag am Computer, hab das Video von „Heart Of Gold“ im Loop laufen lassen und versucht, dazu zu spielen. Das war meine Mundharmonika-Schule. Ich weiß nicht mehr wie lange es gedauert hat, bis man es ansatzweise erkennen konnte. Und so hab ich immer weiter gemacht und versucht, es immer weiter auszubauen. Als es dann einigermaßen funktioniert hat, kam aber die nächste Hürde – Mundharmonika spielen und Singen im Wechsel. Das war zu Beginn echt schwierig, sich die Luft richtig einzuteilen.
Und genau im gleichen Verfahren folgten dann weitere Songs, die ich auf der Mundharmonika gelernt habe. Ich weiß bis heute nicht, wie man Mundharmonika-Noten liest, geschweige denn sie aufschreibt. Das läuft bei mir ausschließlich über mein Gehör.
„Heart Of Gold“ war also mein erster Mundharmonika-Meilenstein – damit fing alles an. Ich liebe den Song und er ist nahezu in jedem meiner Sets vertreten.
Was kommt besser beim Publikum an - akustisch oder mit Gesang?
Den Leuten gefällt beides. Aufgrund des Feedbacks, das ich nach den Gigs bekomme, könnte ich jetzt hier keine eindeutige Antwort geben. Es kommt aber immer darauf an, um was für eine Veranstaltung es sich handelt, zu welchem Anlass ich spiele und was gewünscht wird. Wenn ich zum Beispiel von einem Hotel gebucht werde, um in der Lobby Musik zu machen, wollen die Kunden oft, dass ich akustisch (also rein instrumental) spiele, da es hier meistens um musikalische Untermalung geht. Ich hatte aber auch schon Gigs in Hotels mit Gesang. Auf Firmenevents oder Hochzeiten wird oftmals auch eine Kombi aus beidem gewünscht. Zum Beispiel während des Empfangs akustisch und später dann mit Gesang.
Wer ist dein Lieblingskünstler?
Ich bin unsterblicher Bon Jovi-Fan. Für ihre Konzerte steige ich auch in den Flieger. Mindestens zwei Konzerte pro Tour sind hier für mich Pflicht. Ich glaube, daran wird sich auch nie was ändern. Die Songs sprechen mir aus der Seele und haben mich schon durch viele Lebenssituationen begleitet. Und deshalb gibt es unter anderem ja auch mein Live-Programm „An Acoustic Tribute To Bon Jovi“.
Keine Angst – viele weitere Bands und Interpreten sind in meinem „Acoustic Classics“ Live-Programm (Mix aus Oldies, Evergreens, eigenen Songs und bekannten Hits bis hin zu topaktuellen Songs aus den Charts, Genres Pop/Rock) vertreten. Da ist für jeden etwas dabei.
Wie wählst du die Songs für ein Event, auf dem du spielst, aus?
Hier muss ich zunächst sagen, dass ich sowohl Coversongs als auch eigene Songs spiele. An oberster Stelle steht aber immer: die Songauswahl muss zum Publikum des Events passen. Sowohl im Coverbereich als auch bei meinen eigenen Songs bin ich in den Genres Rock und Pop unterwegs. Damit deckt man einen großen Bereich schon einmal ab. Ich achte bei jeder Setlist darauf, dass für sämtliche Altersgruppen im Publikum etwas dabei ist. Damit steht und fällt alles. Vor Ort reagiere ich dann immer flexibel auf die Entwicklung und Stimmung. Wenn gerade der Bär steppt, auf meiner Setlist aber als Nächstes zum Beispiel 2 ruhigere Songs stehen, dann werfe ich die Setlist schon mal komplett über den Haufen. Das Wichtigste ist einfach, dass man nicht alles im Voraus planen kann, sondern vor Ort flexibel auf bestimmte Situationen reagieren muss. So wird es für alle Seiten dann auch im Großteil der Fälle ein erfolgreiches Event.
Wie lange dauert es dann, ein neues Stück einzustudieren?
Es ist schwer, hier eine Zeitangabe zu machen, weil ich das nicht pauschal sagen kann. Aber ich beschreib einfach mal die unterschiedlichen Phasen.
Bei mir läuft quasi fast alles über mein Gehör. Nehmen wir folgendes Beispiel: Ich hör einen neu veröffentlichten Song einer Band im Radio, der mir super gut gefällt und den ich in mein Repertoire aufnehmen möchte. Das Erste, was ich mache, ich hör den Song immer und immer wieder im Loop (im Auto, in der Bahn, beim Spazieren gehen, daheim über die Anlage, wo auch immer). Ich muss den Song, den musikalischen Aufbau und die Struktur als erstes verinnerlichen. Das ist das A und O. Man muss den Song hundertprozentig „im Ohr haben“. Und darauf baut man dann alles auf. Ich mache das so lange bis ich den Song auf gut Deutsch gesagt „nicht mehr hören kann“. Sobald er wie eine „Hintergrundmusik“ abläuft und ich nicht mehr wirklich über Aufbau, Struktur und so weiter nachdenke, sondern mir sämtliche andere Gedanken, ToDos oder sonstiges in den Sinn kommen, weiß ich, dass ich den nächsten Step machen kann.
Aufgrund der Loop-Hörphase habe ich dann meistens schon eine Idee der verwendeten Akkorde und Melodien im Kopf und mach mich dann an die Arbeit mit der Gitarre. Ich sitze dann vor dem Computer, hör den Song und probiere auf der Gitarre aus welche Akkorde passen. Wenn die Akkorde und Melodien dann klar sind stelle ich mir Fragen wie:
Welche Gitarre(n) verwende ich (6-string, 12-string oder Doubleneck)
Welche Parts spiele ich auf welche Art?
An welchen Stellen zupfe ich?
Wo wende ich welche Schlagtechnik an?
Integriere ich weitere Instrumente wie zum Beispiel Mundharmonika oder auch eine Stompbox (Rhythmus-Effektgerät, das eine Base-Drum simuliert)
Dann geht’s an die Lyrics und das Auswendiglernen des Textes. Ich habe vorhin in der Loop-Hörphase von „den Song verinnerlichen“ gesprochen. Dadurch haben sich vielleicht bestimmte Textpassagen schon eingeprägt. Aber natürlich ist das nur stellenweise der Fall. Oft verstehe ich aufgrund von Slangs oder Dialekten mancher Interpreten nicht genau den Text. Hier hilft einem heutzutage das Internet weiter, weil man online mit sehr geringem Aufwand Zugriff auf die Songtexte hat. An der Stelle setz ich mich dann immer nochmal hin, lasse den Song laufen und singe mit dem Text in der Hand den Song mit, wiederhole immer und immer wieder, bis es sitzt.
Letzter Schritt ist dann alles in einer Performance zu kombinieren, zu festigen und üben, üben, üben bis man sich sicher fühlt. In dieser letzten Phase mache ich mir dann auch Gedanken über mögliche Einstiege in den Song, also z. B. gehe ich von einem anderen Lied in dieses über, weil beide in der gleichen Tonart sind oder wie gestalte ich den Schluss. Vielleicht lässt sich auch eine Stelle mit Publikumsinteraktion einbauen.