Künstler der Woche
Interview mit Anna Abrams
eventpeppers: Liebe Anna, würden Sie sich anfangs kurz vorstellen und ein wenig über sich als Person verraten - gerne von privat bis beruflich?
Ich wuchs in Hamburg auf. Dort sah ich als Kind meine erste Zirkusvorstellung und ab diesem Zeitpunkt kam ich von der Begeisterung für den Zirkus nicht mehr los. Ich begann, hauptsächlich autodidaktisch zu trainieren. Nach meinem Abitur ging ich an das “National Center of Circus Arts“ nach London. Es war sehr anstrengend, aber genau das was ich wollte! Nachdem ich nach drei Jahren mit dem Bachelor of Circus Arts abschloss, blieb ich erstmal in London wohnen. Während eines Engagements im GOP-Varieté Essen verliebte ich mich dann jedoch in einen Essener und nach zwei Jahren Fernbeziehung zog ich zu ihm. Als Artist ist man beruflich sowieso viel unterwegs und nicht an einen bestimmten Wohnort gebunden, deshalb ließ sich Berufliches gut mit Privatem verbinden. Seitdem wohne ich also im Ruhrgebiet und fahre von hier aus zu meinen hauptsächlich in Europa liegenden Engagements.
eventpeppers: Sie haben bereits als Kind Ihre Liebe für den Zirkus und die Artistik entdeckt. Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie ein besonderes Talent haben und dieses gerne zum Beruf machen würden?
Ich muss viel trainieren, um für meine Auftritte in Form zu bleiben und nach jedem Urlaub ist das Training erstmal frustrierend
Auf dem Gymnasium, das ich besuchte, gab es eine Einrad-AG, in die ich sofort eintrat. Als die Leiterin der AG mir dann erzählte, dass es Zirkusschulen gibt, bei denen sich jeder bewerben kann und man nicht zwingend aus einer Zirkusfamilie stammen muss, war für mich sofort klar: Das möchte ich versuchen. Damals war ich 11. Die Frage, ob ich Talent hatte, stellte sich mir nicht. Ich hatte jetzt ein Ziel, auf das ich hinarbeitete - und den Optimismus, dass es klappen kann.
eventpeppers: Sie haben sich auf Artistik am Vertikalseil spezialisiert. Was macht dieses Gerät für Sie so besonders und was sind dabei die größten Herausforderungen?
Ich finde das Natürliche und Simple an diesem Requisit so wunderschön. Eine gerade Linie von oben nach unten, ohne irgendwelchen “Schnick-Schnack“, ein einfaches Baumwollseil, ein Alltagsgegenstand, der nicht zwingend an die Artistik und Showbranche erinnert. Die größte Herausforderung an diesem Requisit ist für mich, dass sehr viel Kraft benötigt wird. Ich muss viel trainieren, um für meine Vertikalseilartistik in Form zu bleiben und nach jedem Urlaub ist das Training erstmal frustrierend. Das Vertikalseil tut auch sehr weh, das schreckt viele Leute schon am Anfang ab. Aber mit den Schmerzen kam ich klar und mittlerweile habe ich, je nach Trick, nur noch wenig bis gar keine Schmerzen mehr.
eventpeppers: Wie darf man sich eine Artistik-Show von Ihnen hinsichtlich der Dauer und Elemente vorstellen? Was ist dabei alles möglich?
Zuschauer, die meine Vertikalseilnummer gesehen haben, bezeichnen diese hinterher oft als “Seiltanz“. Die Übergänge sind fließend, die Dynamik wechselt. Poesie, Schönheit und Eleganz vermischen sich mit spektakulären Momenten, in denen ich mich von oben in die Tiefe stürzen lasse, um mich unten wieder im Seil zu fangen. Ich spiele die Nummer zu einer eigens dafür komponierten fünfminütigen Klaviermusik. Für die meisten Veranstaltungen und Shows ist das eine gute Länge, aber wenn jemand etwas Längeres braucht, kann ich auch eine 20-minütige Darbietung anbieten. Bei der sind dann drei Seile aufgehängt, zwischen denen ich während der Show hin und her wechsele. Das Vertikalseil lässt sich auch sonst sehr vielseitig einsetzen - der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt und ich kann meine Artistik an spezielle Wünsche anpassen. Mein Seil hing beispielsweise einmal für eine Produktion an einer Brücke und ich habe über dem Wasser gespielt. Die Zuschauer saßen in vorbeifahrenden, offenen Schiffen. Ein anderes Mal habe ich über einer circa drei Meter hohen verhüllten Skulptur gespielt und das Kunstwerk zum krönenden Abschluss von oben am Seil hängend enthüllt.
eventpeppers: Wie flexibel sind Sie, was die Location angeht und wie lange dauert der Aufbau der nötigen Technik?
Ich bin recht flexibel, denn für den Fall, dass es in der Location keinen Aufhängepunkt gibt, habe ich ein freistehendes Traversengestell. Der Raum sollte aber hierfür mindestens fünf Meter hoch sein. Ich hing mit meinem Seil auch schon an Bäumen und Brücken. Das eigentliche Aufhängen des Vertikalseils dauert im Normalfall nicht lange, ca. 20 Minuten. Wenn möglich plane ich aber zwei Stunden für die Seilinstallation und Proben ein. Wird das Traversengestell gebraucht, dauert der Aufbau deutlich länger, ca. drei Stunden.
eventpeppers: Was war für Sie das bisherige Highlight Ihrer Artistenkarriere? Und wie hoch möchten Sie noch hinaus?
Zuschauer bezeichnen meine Show als Seiltanz. Die Übergänge sind fließend, die Dynamik wechselt.
Es gibt immer wieder schöne Anlässe, sodass ich nicht ein einzelnes Highlight benennen möchte. Die Show auf der Hochzeit mit einem begeisterten Brautpaar erfüllt mich nicht weniger als z.B. bei der Nacht der Industriekultur vor mehreren tausend Leuten aufzutreten.
eventpeppers: Zu guter Letzt: Was ist für Sie das Schönste an Ihrem Beruf?
Ich liebe vieles an meinem Beruf, aber das Allerschönste ist der Moment am Seil auf der Bühne. Ich bin dann ganz im Hier und Jetzt. Wenn ich dann noch spüre, dass ich das Publikum gefesselt habe und wir zusammen diesen Moment erleben, ist das jedes Mal wieder fantastisch.